Anfang der 80er Jahre zog meine Familie aus Hamburg in einen kleines nordbadisches Dorf.
Ich war damals noch ein Kind. Und irgendwie waren wir anders. Bunter, lauter und anders sprechend als die eingeborenen Dorfbewohner.
Wer schon jemals in Deutschlad auf dem Land umgezogen ist, weiss wovon ich hier schreibe: die schiefen Blicke, das Getuschel und in der Folge die Ausgrenzung ließen nicht lange auf sich warten. Die Eltern übertrugen ihr Mißtrauen auf ihre Kinder, sodass ich in der Schule auch einiges zu spüren bekam. Was ich durch mein trotziges Beharren auf meine coole Großstadtherkunft noch verstärkte.
Was ich sage will: man muss kein Ausländer sein, um in Deutschlad Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit zu erfahren. Weil diese Feindlichkeit tief in der Gesellschaft verwurzelt ist. Weil alles Fremde beäugt wird, und tendenzeill erstmal abgelehnt. Zuindest auf dem platten Land (in den Bergtälern wohl auch).
Darum sollte uns das, was gerade in der großen Politik begegnet, Ressentiments gegenüber Ausländern nicht wundern. Es darf uns aufregen, aber wir müssen uns von der Idee verabschieden, irgendwann in einer offenen und toleranten Gesellschaft zu leben. Offen und tolerant werden immer nur Teile der Bevölkerung sein.
Minderheiten, Andersdenkende erleben täglich die intolerante Kleingeistigkeit weiter Gesellschaftsteile.
Was aber Minderheiten aus dem Kern der Gesellschaft von zugezogenen Minderheiten unterscheidet, ist unser kleinster gemeinsamer Nenner: die Nationalität. Und leider scheint es so zu sein, dass Nationalität doch verdammt viel ausmacht. Denn plötzlich ist eine Lobby da, die für Rechte streitet. Wir sahen es in der Ehe für alle, sehen es in Inklusionsprogrammen etc. Diese Lobbyhat Zugang zu Institutionen, zum Parlament. Es gibt eine Präsenz in der Öffentlichekit. Auch über Kampagnen und Demos etc.
Und genau diese Lobby fehlt Zugezogenen. Sie finden nur schwer Gehör im Parlament, können kaum für ihre Rechte auf die Straße gehen, ohne sich direkt dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, lieber dankbar den Schutz in Deutschland anzunehmen, als lautstark Rechte einzufordern.
Und ich glaube, diese fehlende Lobby, und der fehlende kleinste gemeinsame Nenner der gemeinsamen Nationalität sind es auch, die zu diesen unerträglichen verbalen Entgleisungen einiger Politiker und zu der immer unerträglicher werdenden Gewalt gegen Zugezogene führen.
Es fehlt die breite gesellschaftliche Ächtung und die Beißhemmung.
Denn Kleingeister funktionieren über Regeln, über Normen.
Aus meiner Sicht, kann Fremdemfeindlichekeit nur sehr begrenzt bekämpft werden. Aber ihre Auswirkungen. Durch eine breite gesellschaftliche Ächtung. Durch das konsequente Verfolgen von Straftaten. Durch die Verankerung einer Moral, dass es Dinge gibt, die man mit Menschen nicht tut, egal woher sie kommen.
Und das vermisse ich in der Diskussion. Einerseits wird medial empfunden viel mehr über Gewalt durch "Ausländer" als über Gewalt gegen "Ausländer" berichtet. Außerdem wird bei diesen Straftaten das Merkmal "Ausländer" in den Vordergrund gestellt. Nicht die Gewalt an sich. Als ob der Fakt "Ausländer" schon Teil einer Rechtfertigung ist. Das darf nicht sein. Das wird unsere Gesellschaft nicht zulassen.
An dieser Stelle fehlt mir die Konsequenz in Politik, Justiz und Presse.
Und an dieser Stelle können wir Einheimische den Zugezogenen beistehen. Indem wir jede Form von Gewalt ächten, uns offen entgegenstellen und zeigen, dass es an dieser Stelle einen gesellschaftlichen Konsenz, eine Norm gibt, die letztlich auch Kleingeister aus Angst vor Ausgrenzung nicht zu übertreten wagen.
Das wäre meine Hoffnung.
Man muss sich eben anpassen wenn man woanders sein will.
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