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Dienstag, 21. April 2020

Das große Corona-aber

Seit einigen Tagen gehen mir Gedanken durch den Kopf, die ich gerne aufschreiben möchte.
Die Rahmenbedingungen sind bekannt: berufstätig, alleinerziehend - in Zeiten von Corona in Heimarbeit und Heimschule.
Ja, es ist anstrengend, ABER. Und auf dieses aber kommt es mir an. Denn ich kann durchaus einiges Positives am derzeitigen Zustand sehen.



Die Arbeitsbelastung ist derzeit hoch, was ein gewisses organisatorisches Talent erfordert. Was mir mal mehr mal weniger gut gelingt.
Was ich als Erstes bemerke: ich bin auch sonst nicht viel unterwegs, sodass mich die sozialen Einschränkungen derzeit nicht arg belasten.
Aber, unsere Tage beginnen entspannter, da wir nicht auf die Minute morgens um halb acht gestriegelt und brotbedost abmarschbereit vor der Tür stehen müssen, damit das morgendliche Ballet aus Rollergruppe zur Schule, Erreichen des richtigen Zuges, pünktliches Erscheinen an der Dienststelle funktioniert. Wenn wir um elf noch im Schlafanzug durch die Burg turnen, stört das niemanden. Wenn ich morgens noch zehn Minuten liegen bleiben will, ist das ok. Wir müssen nur frühstücken. Sonst nix. Das ist ziemlich Luxus.
Vormittags jonglieren wir durch Telefonkonferenzen und Schularbeiten. Meistens passen die Zeitfenster irgendwie zusammen. Und ich habe das Glück, dass sich das Kind gerne mit Lego und Hörbuch auch für längere Zeit in sein Zimmer verkrümelt und ich so meine Konferenzen gut wahrnehmen kann. Ein Vorteil, wenn man schon immer gearbeitet hat, schon immer einen Teil von zu Hause und der Anblick eines arbeitenden Erwachsenen schlicht normal ist.
Aber, ich kann zwischendurch aufstehen und tagsüber eine Runde mit dem Kind spielen. Eine Freiheit, die ich sonst nicht habe.
Die Schularbeit ist anstrengend, da das Kind absolut kein Konzentrationswunder ist. Sich immer wieder verliert. Aber, ich finde es gut (zwischen zwei Verzweiflungsanfällen), dass ich mich jetzt mal tagsüber mit dem Lernverhalten auseinandersetzen kann und nicht erst am späten Nachmittag, wenn der Kurze geschafft vom Tag heim kommt und ich auch keine Reserven mehr habe. Ich kann Dinge ausprobieren. Sein Lernverhalten testen. Ihm Wege aufzeigen, wie er künftig vielleicht besser zurecht kommt. Die Zeit fehlt den Lehrern in der Schule. Das meine ich ohne Vorwurf. Wir können in seinem Rhythmus arbeiten (ok, manchmal, mehr manchmal mehr trödeln als arbeiten ....), gezielt dort Zeit verbringen, wo er Schwierigkeiten hat.
Wir können unsere Mahlzeiten planen, wie wir wollen.
Der Kleine Zeit hat viel Zeit zum spielen und toben. In seinem Rhythmus. Ein Luxus. Und das, obwohl der Lernstoff nicht zu kurz kommt, wir gut im Plan liegen.

Eine wirklich befreiende Erfahrung ist für mich beruflich, dass ich einfach verfügbar bin. Kein „vor neun kann ich nicht. Ab halb drei bin ich nicht mehr da. Am Rechner erst wieder nach vier“. In einem Arbeitsumfeld, das von einer Präsenzkultur geprägt war. Jetzt finden die Besprechungen telefonisch statt und ich bin einfach dabei wie jeder andere. Das ist ein wirklich gutes Gefühl. Endlich mal wieder ganz normal dazu zu gehören.

Insofern ein großes und wichtiges ABER. Das für mich gilt.

Trotzdem bin ich abends platt und ausgelaugt. Das liegt aber weniger an der Situation als solcher, als daran, dass beruflich grad deutlich mehr los ist als sonst. Ok, und die Burg sieht übel aus ....

Aber, ich genieße unsere Auszeiten. Da man nicht großartig weg kann, sind wir rund um‘s Haus unterwegs. Zu Fuß im Wald und lassen Stockboote fahren. Mit dem Rad, Picknick, Kamera und Ball im Wald. Fotografieren, schauen unter Steine, rascheln durch‘s Laub. Spielen Ball. Abends mal Brettspiele. Schauen gemeinsam mal einen Film. Lesen. Das sind wertvolle Momente, die im Pendelalltag oft zu kurz kommen.
Wir kochen zusammen, haben uns jetzt die Gartenmöbel vorgenommen.
Hatten ein tolles Osterwochenende mit dem Teilzeitmitbewohner (da greift Corona zum Glück nicht durch).

Das waren die Abers, die ich neben allem Klagen derzeit mal loswerden wollte. Wie immer hat jedes Ding zwei Seiten ....

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