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Samstag, 7. Dezember 2019

Ausgelaugt

Jeden Morgen aufstehen mit dem Gefühl unendlich gerädert und todmüde zu sein. Mein derzeitiger Dauerzustand.
Begleitet von dem leichten bis mittelschweren Schuldgefühl, nur noch zu jammern, einfach nur die Zähne zusammenbeissen zu müssen und dann geht das schon.



Bis ich eben lange unter der heißen Dusche stand und versuchte, dieses "ausgelaugt" zu objektivieren.
Dies soll kein Jammerpost werden, sondern der Versuch zu erklären, was Alleinerziehend eben doch von Beziehung unterscheidet. Auch wenn es genug (zumeist Frauen) Menschen gibt, die sagen, sie könnten auch behaupten "alleinerziehend" zu sein, denn eigentlich bliebe ja doch alles an ihnen hängen.

In zwei Wochen bin ich seit fünf Jahren allein mit dem Zwerg unterwegs.
Ich habe das große Glück, eine Baustelle nicht zu haben: wirtschaftliche Unsicherheit. Wobei ich dabei ungern von "Glück" spreche, denn der heutige Stand beruht auf einer sehr bewussten Entscheidung vor 15 Jahren: Ich bin gut ausgebildete Juristin mit zwei ordentlichen Staatsexamen und einem Abschluss in Frankreich. Ich stand damals vor der Entscheidung, wie mein Berufsweg aussehen sollte. Freie Wahl hatte ich sicher nicht, aber doch mehrere Möglichkeiten. Ich entschied mich bewusst für den Staatsdienst. Nicht weil ich Beamtin so unglaublich sexy fand. Sondern weil ich einen Beruf ergreifen wollte, der es mir ermöglicht, notfalls auch alleinerziehend ohne Existenzgefährdung durchzukommen. Frei nach dem Motto "man weiss ja nie" - und es war eine meiner intelligenteren Lebensentscheidungen, von der ich heute profitiere.

Was zermürbt also?
Immer die einzig mögliche Instanz zu sein. Dass der Alltag nur funktioniert, wenn er gut geplant und organisiert ist. Und dass in die Organisation maximal der eigene Beruf, die Bedürfnisse des Kindes (und da bei weitem nicht alle! Ich sehe es zumindest nicht als Bedürfnis eines Grundschülers an, vier Tage die Woche acht Stunden in der Schule zu sein) und in Grundzügen der Haushalt passt. (Und das nur, wenn alles im geplanten Rahmen  läuft. Und welches Leben tut das schon?
Jede Besprechung, die vor 8.30h beginnt, oder nach 14.30h endet bedeutet, dass ich irgendwo jemanden auftreiben muss, der sich entweder vor der Schule (grenzwertig!) oder nach der Schule (wenn alle eigentlich selbst genug Programm haben) um das Kind kümmert. Dienstreisen mit Übernachtung sind dreimal schwer zu planen. Und bei uns steht einiges an, da wir bundesweit tätig und zuständig sind und Zusammenarbeitsstellen halt im Bundesgebiet verstreut liegen. Das bedeutet im Klartext: entweder sind meine Eltern grad da und haben Zeit und Lust einzuhüten, oder ich habe das Glück, dass ein solcher Termin in eine der sechs Ferienwochen fällt, die das Kind über#s Jahr verteilt bei seinem Vater verbringt, oder aber ich delegiere die Termine auf andere Kollegen. Die auch Familienpflichten haben, aber eben das "Glück", dass ein Zweiter an Bord ist, der auch kurzfristig übernehmen kann.
Das heisst, jede Terminanfrage außerhalb der Norm verursacht erstmal Stress. Klingt banal, zermürbt aber auf Dauer. Weil man eben nicht mal eben jemanden fragen kann, der für den Ableger genauso verantwortlich ist, ob er/sie da ist, sondern immer jemand eingeworben werden muss, der die eigene Verantwortung übernimmt. Ein Zustand, den ich als belastend empfinde, da ich ungern andere belaste.
Dazu kommt, dass ein Einhüten bedeutet, dass jemand "haushaltsfremdes" vorübergehend einzieht. Also muss die Bude auf  Vordermann gebracht werden. Klingt banal, ist es aber nicht immer. Wir haben uns hier eingerichtet, fühlen uns hier wohl. Dennoch Kann ich verstehen, dass sich nicht jeder in unserem Alltagschaos wohl fühlt. Und wenn schon jemand die Last auf sich nimmt, hier zu übernehmen, dann ... tjanun.
Fällt bei der Zweierzieherfamilie irgendwie auch weg.

Wir haben gerade sechs Wochen hinter uns, die absolut nicht spaßig waren. Entwicklungsschub beim Kurzen, neue Stelle bei mir. Beide gestresst. Täglich bis zu zwei Stunden Nacharbeitstheater, weil das Kind in der Schule schlicht nicht fertig wurde. Zeiten, die meine volle Aufmerksamkeit erfordern. Und Geduld. Zu einer Zeit, wo das Kind selbst schon völlig durch ist. Und ich eigentlich selbst noch arbeiten sollte, manchmal noch dringende Terminsachen erledigen muss. Stimmung in da House - und zermürbend. Für beide Beteiligte.

Dazu dann so simpler Alltagskram wie: Abendessen richten. Das wird irgendwie reingequetscht. Niemand, den man eben anschreiben könnte, er möge bitte noch fix was einkaufen, während man sich mit dem Kind durch die Aufgaben quält. Das wird dann im Sauseschritt erledigt. Auf dem Heimweg vom Bahnhof. Gehetzt, damit man rechtzeitig zu Hause ist und das Kind nicht vor der Tür warten muss.

Tja, und wenn dann Nacharbeit, Home-office und Abendessen erledigt sind, war noch nichtmal Familienzeit. Aber meist ist es dann schon so spät, dass das Kind dann in's Bad muss, man selbst derweil fix die Küche aufräumt, die Brotboxen für den nächsten Tag richtet und sich kurz fragt, ob man eigentlich Männlein oder Weiblein ist. Weil einfach niemand da ist, der zumindest das abnehmen könnte. (die Küche, nicht die Männlein-/Weibleinentscheidung)
So bleibt dann in den Kampfwochen als einzige entspannte Zeit gemeinsam die Gute-Nacht-Geschichte.
Und das laue Gefühl, wie bekloppt durch den Tag gehetzt zu sein und nicht einmal dem eigenen Anspruch als Elter gerecht geworden zu sein.

(ja, es gibt auch andere Zeiten. Ich zeichne grad die zermürbenden nach)

Von Zeit für sich ganz zu schweigen. Seit sieben Jahren treibe ich keinen nennenswerten Sport mehr. Ich kann die Zeiten nicht einplanen. Muss die Zeitfenster so legen, dass das Kind dann nicht da ist. Weil auch keiner da ist, der einfach nur auf der Couch sitzt, wenn das Kind schläft, sodass man dann das Haus verlassen könnte.

Dann kommen unruhige Nächte hinzu. Entweder weil das Kind unruhig ist, oder weil eben die 100.000 Dinge durch den Kopf gehen, an die gedacht werden muss. Die irgendwie in den Tagesablauf passen müssen.

Wie ich drauf kam heute? Weil ich mir beim Frühstück den Kopf darüber zerbrach, wann ich noch ein Zeitfenster allein einbauen könnte, um ein paar letzte Weihnachtsbesorgungen zu machen.

Jetzt isses doch ein Jammerpost geworden - aber ich habe für mich ein Bild, warum ich grad so müde bin.

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