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Samstag, 7. November 2020

Es ist eine Frage der Sichtweise

 November. Corona ist noch immer da. Was bei nüchterner Betrachtung weit weniger überraschend ist, als jetzt oft geäußert wird.

Wir sind wieder in einer Zeit verschärfter Kontaktbeschränkungen. Hinter denen ich stehe, aber das soll jetzt hier gar nicht so das Thema sein.


Was mich beschäftigt ist folgendes:

Ich habe in der letzten Zeit wieder viel Radio gehört. Auch viel Zeitung gelesen, aber im Radio war es für mich auffälliger: Die Art, wie die derzeitigen Maßnahmen "verkauft" werden.

Ich höre dauernd Sätze wie : "was darf man eigentlich noch?" "Shoppen ist ja eine der wenigen Freizeitaktivitäten, die überhaupt noch erlaubt sind" "was dürfen Freizeitsportler noch?" und lustige Umfragen unter den Zuhörern mit der Frage "was machen Sie jetzt noch, wo Sie nichts mehr dürfen / nicht mehr raus dürfen?".

Diese Art der Berichterstattung treibt mir aus zwei Hauptgründen grad die Galle hoch.

1. Die Art zu fragen lenkt uns. Zumindest emotional. Sie fördert den inneren Widerstand. Macht unwillig gegen die Maßnahmen. Sie suggeriert, dass wir jetzt nur noch untätig zu Hause sitzen dürfen. Was schlicht nicht stimmt. Der kommerzielle Teil der Freizeit und der in Kompaniestärke ist untersagt. Punkt.

Ja, es ist ein tiefer Einschnitt. Aber ein erwachsener Umgang mit Situationen zeigt sich auch darin, konstruktiv mit Veränderungen umzugehen. Veränderungen anzunehmen. Und den Blick vielleicht auch einmal auf das zu lenken, was da ist, und nicht auf das was fehlt.

Angeheizt durch die Medien wird aber genau der Blick auf das Fehlende gelenkt.

Oft verbunden mit einem: "Die Maßnahmen sind nötig, aber ...". Kein aber. 


2. Aus meiner Sicht ist die Frage "was ist denn überhaupt noch erlaubt?" unsäglich. Diese Frage finde ich ganz ehrlich unerhört! Denn sie vernebelt den Blick auf einen in meinen Augen wesentlichen Punkt: die Frage kann doch nicht sein, was staatlich verboten / erlaubt ist, sondern was in Anbetracht der Umstände gut / vernünftig / kalkulierbar ist.

Stellte sich jeder diese Frage und lebte danach, wären, oh Wunder! die meisten der derzeitigen staatlichen Einschränkungen gar nicht nötig gewesen.

Und ein anderer Aspekt treibt mich in diesem Zusammenhang um: wo bleibt die eigene Vernunft? Es ist nicht verboten, von der Brücke zu springen. Es ist nicht verboten, Fliegenpilze zu essen. Es ist nicht verboten, auf einer morschen und wackeligen Leiter acht Meter in die Höhe zu kraxeln. Es ist nicht verboten, mit einer akuten Magen-Darm-Infektion auf eine Party zu gehen, dort mit bloßen Händen alles anzugriffeln und so die eigene Erkrankung fröhlich zu verteilen (den Einwand, es sei nicht möglich, weil man ja über den Schüssel hängt, lasse ich nicht gelten. Es geht mir um den Mechanismus dahinter). Es ist auch nicht verboten mit einem Magen-Darm-erkrankten Familienmitglied innig zu knutschen. Es ist nicht verboten, verdorbene Lebensmittel zu essen. Es ist nicht verboten im Winter im eiskalten Meer zu schwimmen. Und trotzdem würden es die meisten von uns nicht tun. Weil es ungesund oder gefährlich ist. Weil das Risiko, sich etwas zu tun / zu erkranken zu groß ist.


Ich frage mich nun: warum versagt dieser Instinkt nun so flächendeckend? Wir haben es mit einem neuen Virus zu tun.  Wir lernen gerade, damit umzugehen. Es ist eine neue Situation. Und wir benehmen uns wie trotzige Kinder. Das will mir gerade nicht in den Kopf.

Es wäre aus meiner Sicht deutlich entspannter, wenn sich erwachsene Menschen vernünftig mit der Lage auseinandersetzen würden. Umsichtig handeln. Und nicht nur auf Verbote schielen.


Und dazu gehört in meinen Augen ganz wesentlich auch die mediale Berichterstattung. Denn sie lenkt uns. Beeinflusst unseren Blickwinkel.

Da würde ich mir etwas mehr Sensibilität wünschen. Und einen Perspeltivwechsel.


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