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Freitag, 28. September 2018

offener Brief

Liebe Andrea Nahles,

Seit ich 16 bin, bin ich nun Mitglied in der SPD. Als ich eintrat, ging Dein Stern bei den Jusos gerade auf.
Ich war immer ein überzeugtes Parteimitglied. Und ich bezeichne mich bis heute als überzeugte Sozialdemokratin. Keine andere politische Ausrichtung könnte mir mehr Heimat sein.

Aber in letzter Zeit (und die misst sich mttlerweile leider in Jahren) steigt bei mir der Frust.
Und letzte Woche hättet Ihr es fast geschafft. Da hattet Ihr mich fast soweit, frustriert diese Partei zu verlassen, weil ich keine Hoffnung mehr habe, dass die Erneuerung gelingt.


Der Umgang mit der Personalie Maaßen hat mir beinahe die Zornestränen in die Augen getrieben.
Da sitzt ein Mensch im Amt des Präsidenten des Verfassungsschutzes. Des Amtes, das mit seinen Erkenntnissen und Informationen wesentlich ist für die Einschätzung der Sicherheitslage in Deutschland verantwortlich ist. Und dieser Mensch zeigt ganz offen eine mehr als bedenkliche Gesinnung. Er äußert sich in einer aufgeheizten Stimmung und bereitet kraft seiner fachkundigen Einschätzung den Rechten den Boden, die abscheulichen Szenen in Chemniz zu relativieren oder ganz zu negieren.
Die Probleme, die wir gerade von rechts bekommen, die antidemokratischen Tendenzen auch in der AfD sind nicht zu übersehen. Es ist die Pflicht aller Demokraten, diesen Tendenzen laut und entschieden entgegen zu treten. Und was passiert? Die Parteispitze stimmt im ersten Anlauf einer quasi Beförderung zu. Es ist noch nicht einmal die faktische Gehaltserhöhung, die mich am meisten geschockt hat. Die Funktion "Staatssekretär im Innenministerium" hat mir echt die Socken ausgezogen. Wer die Strukturen in Ministerien kennt, weiss um die Macht von Staatssekretären. Nicht nur, dass unser Innenminister ein ganz schlimmer geistiger Brandstifter ist, nein, meine (!!) Partei stellt ihm auch noch einen noch schlimmeren Gesinnungsgenossen zur Seite. Das ist politisch absolut unverantwortlich. Wie weit sollen die Institutionen, die für unsere Sicherheit zuständig sind, denn noch nach rechts rutschen? Ausgerechnet das Innenminsterium? Das ist wie rauchen im ausgetrockneten Wald.
Und wozu? Um die Koaltion nicht zu gefährden. Eine Koalition, die solche Entwicklungen fördert, darf von den Sozialdemokraten nicht gestützt werden.
Ich verstehe meine Partei nicht mehr. Seit wann kleben wir um jeden Preis an der Macht? Dieses Verhalten kannte ich bislang nur von den C-Parteien und den Liberalen. Und fand es immer ziemlich widerlich.

Aber es nicht nur Maaßen. Das war nur das Sahnehäubchen.

Es gab Zeiten, da stand die Sozialdemokratie mal für Soliarität. Für Engagement für diejenigen, die eben keine mächtige Lobby hatten. Die sich ihre Politik nicht kaufen konnten. Davon spüre ich nix mehr. Ich könnte derzeit nichtmal sagen, welches unsere großen Themen sind. Und die Positionen dazu. Dabei gäbe es eine Menge Themen, die einer Betrachtung wert wären.
Die Klassiker Rente und Krankenkasse gehen immer.
Aber auch in der Familienpolitik gibt es einiges zu tun. Holt die Ehe endlich von ihrem antiquierten Sockel und gebt Familien eine echte Chance.
Europa trudelt, wir sind immer nationalstaatlicher unterwegs. Wie sieht unser Europa 2050 aus? Wofür stehen wir? Wie wollen wir das erreichen?
Wie stehen wir in Klimafragen? Was sind unsere Lösungen?
Um nur einige wenige Themen zu nennen.
Und was ist? Man hört nix von uns! Es ist erbärmlich.

1998 hatten die Schwarzen schonmal abgewirtschaftet. Wir standen vor einem riesigen Reformstau. Heute wieder. Nur traut uns heute keiner mehr zu, in diesem Land irgendwas zu bewegen. Sinnvoll zu verändern.

Liebe Andrea Nahles, es wird dringend Zeit, dass sich die SPD wieder Gehör verschafft. Die wichtigen Themen anpackt. Und sich entschlossen und laut gegen rechts stellt. Es geht tragischerweise nicht mehr darum, dass wir unsere Glaubwürdigkeit nicht verspielen. Die ist schon untergegangen. Wir müssen sie uns zurück verdienen.
Aber durch faulste Kompromisse zur Rettung einer abgewirtschafteten Vernunftehe wird das nix werden.

Und wenn das so weitergeht, verlieren wir nicht nur noch den letzten Wähler, sondern auch unsere letzten Parteimitglieder. Mir fällt die Identifizierung zunehmend schwer. Einzig meine Loyalität und meine tief verankerte Sozialdemokratie halten mich noch. Letztere nehme ich in der Partei aber zunehmend seltener wahr.

Es grüßt herzlich
Clara

1 Kommentar:

  1. Es wäre wünschenswert, wenn die Parteiführung sich diesen offenen Brief einmal durchlesen würde. Der derzeitige Drang nach reinem Machterhalt ist leider ein Verrat an sozialdemokratischen Idealen, das schmerzt einfach. Ganz habe ich die Hoffnung jedoch noch nicht aufgegeben, es ist Potential vorhanden, wieder auf die richtige Spur zu kommen. Jedoch muss sich da einiges ändern. Denn so, wie sich die Partei derzeit präsentiert, ist sie für mich leider unwählbar geworden...

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