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Mittwoch, 27. Juni 2018

Teilzeitfrust

Es gibt diese Phasen. Da ist das Fass einfach voll. Dünnhäutig sitze ich hier uns versuche zu ergründen, was genau mich grad so mürbe macht.

In letzter Zeit reagiere ich sehr hellhörig auf die Zwischentöne.


"Ach! Sind Sie auch schon da?!" - wenn ich um urz nach neun in's Büro gehetzt komme, nachdem ich um viertel nach sehcs aufgestanden bin, Kind versorgt und in den Kindergarten gebracht habe (die ersten 3.000 "Mama! ...." beantwortet habe), Parkplatz gesucht, zum Bahnsteig gehastet und zeitgleich mit dem Zug dort angekommen bin. Durch zwei Bahnhöfe gehetzt, um ja die nächste Anschlussbahn zu bekommen und nicht vier Minuten auf die Folgende warten zu müssen.

"Maaaahlzeit!" - wenn es kurz nach zehn wird, weil ich neben dem Standardprogramm morgens noch einen Physiotermin reingequetscht habe, weil die Schulter noch immer ausheilt und die Physio nachmittags nach 15h keine Termine mehr vergibt.

"Wenn Sie schonmal im Büro sind ..." - wenn man gerade zwei Tage im Homeoffice arbeiten musste, weil das Kind 40 Grad Fieber hatte und nicht in den Kindergarten konnte. Man in den Tagen aber mit Kind zu Hause per Telko trotzdem alle terminierten Besprechungen durchgeführt hat. Und auch sonst das volle Pensum gearbeitet hat.

"Mir fehlt der enge fachliche Austausch!" - wenn man als 0,75 Teilzeitkraft auf zwei Vollzeitstellen sitzt und schauen muss, wie man alle Aufgaben irgendwie geschaukelt bekommt und sich nicht in jedes Thema einarbeiten kann, sondern auf die Kompetenz der Mitarbeiter vertrauen muss.

"Können Sie nicht bis 17h in der Besprechung bleiben? Das muss doch mal einzurichten sein!" - nachdem man im letzten Monat bereits zweimal lange Besprechungen mitgemacht hat, weil die Nachbarin so freundlich war, das Kind aus dem Kindergarten zu holen. Nachdem man eine 15h Dienstreise gemacht hat, weil die Nachbarin so fruendlich war, das Kind morgens um kurz nach sechs bereits zu nehmen, später in den Kindergarten zu bringen, wieder zu holen und bis kurz nach neun abends noch zu versorgen. Nachdem man eine Übernachtungsdienstreise gemacht hat, weil die Cousine so freundlich war, das Kind neben der eigenen Berufstätigkeit und selbst zwei Kinder, über Nacht zu betreuen - bis man am folgenden Abend gegen halb neun nach Besprechung und einem Höllenritt auf der Autobahn endlich wieder da ist.

"Können Sie mir bis um zehn noch schnell was aufschreiben?" - nachdem man grad erklärt hat, dass man mit krankem Kind zu Hause hängt.

"Wenigstens wir arbeiten noch Vollzeit!" von zwei weiblichen Führungskräften. Ende Fünfzig. Beide kinderlos.

"Wann kann ich Sie denn endlich mal persönlich sprechen?!" - von der Mitarbeiterin, die selbst nur an zwei Tagen in der Woche im Büro ist und ansonsten im Homeoffice arbeitet. Wegen Kinderbetreuung.

Es sind die Kleinigkeiten, die sicher nie böse gemeint sind. Die aber tief treffen, weil man eh schon das Gefühl hat, keinem gerecht zu werden. Nicht genug zu leisten. Immer der Hemmschuh zu sein. Kleinigkeiten, über die der Sender nicht nachdenkt, die aber zeigen, dass wirkliches Verständnis noch weit weg ist.

Und das macht mich grad mürbe.
Bei jeder unvorhergesehenen Verschiebung im Tagesablauf, jeder Unpässlichkeit die Sorge, wieder als diejenige aufzufallen, die igendwie wieder nicht da ist.

1 Kommentar:

  1. So sorgen unbedachte Äußerungen, die vielleicht teils gar nicht so gemeint sind, in der Summe zu einem schlechten Gefühl. Weil eben die Tagesleistung nicht im Gesamten, sondern nur in den jeweiligen Teilbereichen gesehen wird, gerade in unserer Leistungsgesellschaft. Da scheint kein Platz für diejenigen, die ja eigentlich für unsere Zukunft sorgen und den kinderlosen Führungskräften Ende 50 irgendwann einmal die Altersversorgung garantieren sollen. Armes Land, arme Gesellschaft...

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