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Donnerstag, 3. September 2015

Bedürfnisse

Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ein Thema, über das ich viel lese, das mich persönlich auch sehr beschäftigt. Ich möchte es heute einmal aus der Bedürfnisperspektive beschreiben. Bedürfnisse von Eltern und Bedürfnisse von Kindern.


Die aktuelle Diskussion geht oft um Betreuungsplätze und um Karriere. Ich werde das Gefühl nicht los, dass  von Paaren erwartet wird, dass sie zum Volkswohl Kinder bekommen und um desselben Wohles Willen spätestens nach einem Jahr bitte beide wieder in Vollzeit im Beruf stehen und sich fleissig um ihre Karrieren kümmern. Als gut ausgebildete Frau habe ich auch das Bedürfnis, wieder zu arbeiten. Ausschließlich Hausfrau und Mutter würde mich nicht erfüllen. Und auch nicht ernähren.

Aber die Arbeits- und Karriererealität sieht oft leider so aus, dass die vertraglich vereinbarten 38 - 40 Stunden nur ein grober Richtwert sind. Wer weiter kommen will, von dem wird still erwartet, dass wesentlich mehr geleistet wird, als in dieser Zeit vernünftiger Weise zu schaffen ist.

Konsequent weiter gedacht bedeutet dies, dass die Kinder früh in eine sehr umfängliche Fremdbetreuung kommen. Ganztageskita, Ganztagsschule - es wird alles getan, um die lieben Kleinen den ganzen Tag vernünftig wegorganisiert zu bekommen.

Abgesehen von der wirtschaftlichen Notwendigkeit vieler Paare - entspricht das wirklich unseren Bedürfnissen?

Ich fange mit den Eltern an. Bewusst mit den Eltern, denn ich denke, die Bedürfnislage unterscheidet sich zwischen Vätern und Müttern nicht wirklich.
 Wollen wir Eltern wirklich den Großteil der Entwicklung in fremde Hände geben?
Ich kann das für mich verneinen. Ich habe den Klabauter früh in die Betreuung gegeben und bereue es nicht. Es hat ihn gefördert und selbständig gemacht. Er hat Kontakt mit anderen Kindern. Aber ich habe mich auch bewusst für ein Kind entschieden. Ich möchte ihn wachsen sehen, möchte ihn auf seinem Weg begleiten. Ich möchte sein Ansprechpartner sein, wenn ihn etwas freut, wenn ihn etwas bedrückt, wenn ihn etwas beschäftigt. Ich möchte mit ihm zusammen die Welt entdecken. Möchte ihm Werte vermitteln, die ich für gut und richtig halte. Möchte mit ihm kuscheln, wenn er das braucht. Möchte völlig bekloppt mit ihm durch die Gegend toben. Bücher lesen. Essen kochen. Gemeinsam aufräumen, den Alltag erleben.
Aber dafür brauche ich Zeit. In zweierlei Hinsicht. Genug Zeit zu Zeiten, in denen der Klabauter wach ist. Aufnahmebereit ist. Und auch Zeit, in der ich bei mir bin, und mich auf das Kind einlassen kann. Nicht abends zwei Stunden nach einem hammerharten Zehn-oder-mehr-Stunden-Tag im Job, wenn ich einfach nur noch selber platt bin und keine Energie und Antennen mehr für das Kind habe. Das kommt zwar durchaus auch mal vor, soll für mich aber die Ausnahme bleiben.
Wer stemmt bitte eine 50-60 Stunden Woche, den Haushalt und hat dann noch wirklich Zeit für die Kinder?
Ich möchte miterleben, wie sich der Klabauter entwickelt. Sein Sozialverhalten auf dem Spielplatz selber erleben, ihn neue Lieder singen hören - und nicht eine Erzieherin fragen müssen, wie er sich gerade so macht, weil mir den persönliche Eindruck fehlt.

Aus diesem Grund brauche wir dringend eine Debatte über Arbeitszeiten von Eltern. Einen vernünftigen Kompromiss, der den berechtigten Bedürfnissen der Unternehmen Rechnung trägt. Der aber auch Familien die Möglichkeit gibt, miteinander zu leben.

Nun komme ich zu den Bedürfnissen der Kinder:
Wie ich bereits schreib, KiTa, Kindergarten, Tagesmutter - tut den Kleinen gut.
Aber wenn ich den Klabauter nach sieben Stunden aus dem Kindergarten hole, ist er einfach nur platt. Dann geniesst er es zu kuscheln, die Ruhe, seinen Trott gehen zu können. Er genießt es, einen Ansprechpartner zu haben, der einfach nur für ihn da ist. Wo er sich mal nicht hinten anstellen muss. Er genießt es, wenn er freitags nicht in den Kindergarten muss. Wenn er morgens träumen und noch spielen kann. Im Schlafanzug frühstücken. Der Ernst des Lebens beginnt früh genug. Müssen wir wirklich schon die Kleinen durchtakten? Jeden Morgen scheuchen? Ihnen unseren verrückten Rhythmus aufdrücken? Wie soll sich eine kleine Persönlichkeit frei entwickeln, wenn sie immer nur in ein System gedrängt wird, in der sie funktionieren muss - weil das System funktionieren muss? Ich bin kein Gegner von Regeln oder Grenzen. Aber ich glaube, dass Kinder auch Freiheit brauchen. Dass sie die Freiheit leben können, wenn sie stabile Bezugspersonen haben, die verlässlich für sie da sind. Und damit sind wir wieder bei der Zeit.
Familien brauchen neben allen Betreuungsmöglichkeiten Zeit. Wenn wir das in die Vereinbarkeitsdebatte mit einbringen, sind wir ein Stück weiter.
Aus diesem Grund arbeiten viele Mütter "nur" Teilzeit. Und ich bin überzeugt, auch viele Väter würden gerne mehr aktive Zeit mit ihrer Familie verbringen. Das ist ein großes Bedürfnis.

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