Seiten

Sonntag, 11. Dezember 2011

Die Krux des guten Ratschlags

Ich komme langsam in einen Zustand, der mich geradezu als wild blinkende Projektionsfläche für gute und gut gemeinte Ratschlage anpreist. Wobei sich die Projektionsfläche hier sowohl visuell im Körperumfang darstellt, als auch ganz massiv ausschießlich im Kopf des Gegenüber wahrgenommen wird.
Fünfter Monat schwanger. Wer hat da nicht einen guten Tipp oder eine wilde Schauergeschichte, eine schöne Erinnerung oder einfachstes Ratgeberwissen parat?




Ich weiss, die meisten Tipps und Ratschläge sind wirklich gut gemeint.
Und die meisten Ratenden werden auch für sich in Anspruch nehmen, aus echter Sorge heraus zu raten. Und das soll der ungefragt Beratene auch bitteschön anerkennen und ernst nehmen.
Spricht sich doch der Ratende moralisch frei: "Ich habe ihr doch gesagt, sie soll sich schonen, kürzer treten, an sich denken, ..."
Liebe Ratende, diese Tipps sind so hilfreich, wie einem ertrinkenden Nichtschwimmer vom Ufer hinterherzurufen, er möchte doch bitte endlich anfangen zu schwimmen.
Ich möchte hier nicht alle Ratschläge verdammen. Im Gegenteil. Viele helfen wirklich weiter.

Aber was soll ich von einem Ratschlag halten "Sie müssen sich wirklich nicht mehr so viel zumuten", wenn im nächsten Moment der Ratende einen Vorgang auf den Tisch legt, der a) hätte selber entschieden werden können und b) dieselben Fehler enthält, wie schon fünfmal besprochen?
In diesem Fall wäre mir kein Ratschlag und dafür ehrliche Entlastung lieber. Würde mir nämlich weiterhelfen.

Oder geht die geneigte ratende Umwelt wirklich davon aus, dass die müde, zugegeben auch überempfindliche, Schwangere aus lauter Jux und Dollerei weitermacht wie bisher? Oder könnte es vielleicht damit zusammenhängen, dass die Aufgaben einfach ncht wegfallen? Dass nicht - oh Wunder - auf einmal eine Armada an Haus- und Büroelfen zur Verfügung steht und hilfsbereit alles Lästige übernimmt, damit die Schwangere die schwere Verantwortung für zwei - auf die sie auch bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit aufmerksam gemacht wird - tragen  und sich schonen kann?

Besonders hilfreich sind auch Tipps à la "Du musst unbedingt ausreichend Käse, Obst und rotes Fleisch essen. Weisst Du, für das Kind. Du bist da jetzt nicht mehr alleine!"  - wenn einem speiübel ist und man eigentlich nur betet, dass das Butterknäckebrot den Verdauungsweg nach unten nehmen möge.
Liebe Ratenden, glaubt Ihr wirklich, dass wir werdenden Mütter alle debil und unvernünftig sind? Dass wir uns nicht selber schon genug Sorgen machen?

Ich weiss, Ihr meint es nur gut.
Aber was wirklich hilft: echte Entlastung. Und nicht das eigene schlechte Gewissen noch zu verstärken.

Und bitte keine Schauergeschichten über was nicht alles schief gehen kann. Das Kopfkino einer werdenden Mutter ist ausreichend farbenprächtig und kreativ. Da bedarf es für Nächte mit schlechtem oder wenig Schlaf nicht auch noch von außen herangetragener Horrorgeschichten.

Ach ja, eines noch: dass wir nicht mehr so fit und belastbar sind, muss uns nicht extra dauernd gesagt werden. Wer auf einmal nach drei Stockwerken zu Fuß schnauft wie eine alte Dampflock, wird diesen Rückschluss auch ohne externe Hilfe selber ziehen.

Zum Schluß geht mein Dank an alle, die mich derzeit trotz allem ertragen und noch gerne mögen. Und die mir wirklich hefen - manchmal auch einfach nur mit guten Ratschlägen :o)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen