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Sonntag, 6. Februar 2011

Quoten und andere Zwangsmittel

Seit Wochen beherrst das Thema "Frauenquoten in Vorstandsetagen" die politische Debatte. Kaum ein Thema polarisiert so schön. Auch nicht am heimischen Küchentisch. Auch hier wurde schon hitzig debattiert.
Das Thema lässt mich nicht los, und ich bemerke, wie sich mit zunehmender Debatte mein Standpunkt radikalisiert. Und das finde ich bemerkenswert.


Zunächst einmal: ich bin kein Quotenfreund. Gar nicht. Auch ich überzeuge gerne durch meine eigene Leistung und nicht nicht aufgrund des mir eher zufällig zugeteilten Geschlechts. So war ich zu Beginn auch ein Gegner der Frauenquote und fühlte mich mit dieser Position wohl. Ich bin selber Führungskraft und bislang aufgrund meiner Leistung weiter gekommen.

So weit so gut. Nun kommen aber immer neue Dimensionen ins Spiel: worum geht es eigentlich: zu wenig  Frauen in großen Unternehmen in Toppositionen. Erste Reaktion: selber Schuld. Strengt Euch halt an. Zweite Reaktion: die meisten Frauen wollen ja gar nicht. Und jetzt wird es spannend: warum denn nicht?
Sicher gibt es einen Prozentsatz der sagt, ihnen sei der Druck da oben zu groß. Ok. Das muss jeder selber entscheiden.

Aber ich habe für mich noch zwei andere Dinge ausgemacht:

Zum einen sitze ich selber in Auswahl- und Beurteilungsgremien und muss feststellen, dass tendenziell die Männer besser bewertet und mit schlechteren Leistung eingestellt werden. Das stimmt nicht immer, aber ich erkenne die Tendenz. Das hat auch damit zu tun, dass eben mehr Männer in den Toppostitionen sind, und dann auch eher Männer auswählen. Gegen dieses Phänomen kommt man mit der Frauenquote an. Wobei sich diskutieren lässt, ob es nicht auch noch andere Mittel gibt.

Ein anderer Punkt ist aber: Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Oder: wieviel Privatleben habe ich als Führungskraft? Und das ist ein Ding, das mir sehr viel mehr Sorgen macht.
Es ist heute völlig normal, dass Führungskräfte, auch schon im mittleren Managmement, für 40 Stunden in der Woche bezahlt werden, aber vorausgesetzt wird, dass sie 50-60 Stunden arbeiten. Darüber hinaus ist es völlig selbstverständlich, dass das Firmennotebook mit heim genommen wird und abends nochmal emails gecheckt werden. Auch wird erwartet, dass das Handy rund um die Uhr eingeschaltet ist, und der Arbeitnehmer (denn nichts anderes ist auch die "kleine" Führungskraft) selbst im Urlaub stets erreichbar ist. Und daran krankt das System. Und das ist auch geschlechtsunabhängig.

Den größten Druck haben wir am Anfang der Karriere, also bis Mitte 40. Wie soll ich denn in diesem System noch eine Familie unterbringen? Es liegt doch auf der Hand, dass dann einer der beiden Partner kürzer treten muss. Und das ist dann meistens die Frau, weil sie meist eh weniger verdient, eh daheim bleibt im Mutterschutz etc. Und das ist das Problem: wir sind Arbeitsmaschinen und keine Menschen mehr. Und das bekommen wir auch nicht über eine Frauenquote hin. Hier muss ein Umdenken in den Unternehmen her, die ihre Mitarbeiter wieder als Menschen wahrnehmen müssen und nicht ausschließlich versuchen den maximalen Profit rauszupressen.
Viele junge Menschen wollen eine Familie. Und die ist im Leistungssystem leider nicht vorgesehen. Insofern muss meist eine Entscheidung getroffen werden: beruflicher Erfolg oder Familie. Bedingt finde ich es richtig, dass nicht immer alles geht. Aber in der Ausprägung, wie ich sie derzeit erlebe, fährt das System irgendwann an die Wand, weil es den Menschen nicht gerecht wird.
Und das bekommen wir auch nicht über eine Quote in den Griff.
Da müssen sich ganz andere Dinge ändern. Es kann nicht sein, dass Arbeitnehmer quasi zum Eigentum der Arbeitgeber werden und alles andere hinten an zu stehen hat.
Ich plädiere hier nicht dafür, Menschen nichts abzuverlangen. Aber die Balance muss stimmen. Und genau die gerät meines Erachtens gerade aus den Fugen.

Eine Lösung habe ich auch nicht. Eine Hoffnung wäre, dass das System vielleicht wirklich durch die Frauenquote aufgebrochen wird und sich dann endlich etwas ändern muss. In der Betreuungssituation. In den Arbeitsbedingungen. Weil vielleicht irgendwann auch mal die Männer ihre Kinder aufwachsen sehen wollen. Auch unter der Woche, nicht nur am Wochenende.

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