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Montag, 5. Juli 2010

Sommer - in der alten Stadt

Es ist mal wieder so weit: eigentlich sollte  ich schlafen, aber meine Gedanken halten mich wach. Und dabei ist gar nicht Sonntag.
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Es ist Sommer, ziemlich warm und durch die geöffnete Balkontür dringen abendliche Hinterhofgeräusche in mein Schlafzimmer. Da wäre zum einen der Fernseher der Nachbarn. Nur als dumpfes Konservendosenecho zu vernehmen.
Die anderen Nachbarn klappern mit Töpfen und Tellern in der Küche. Dazu wird diskutiert und gelacht. Das ruft bei mir süditalienische oder spanische Hinterhofromantik wach. Ich könnte mich direkt in den Süden träumen.
Aber all das sind vertraute Geräusche. Auch wenn es erst mein zweiter Sommer hier ist, ist es ein Stück "daheim".
Sogar der Nachbar gegenüber ganz oben unterm Dach, der immer zum Küchenfenster raus hängt, wenn er raucht. Er hat sich extra ein kleines Holzbrett über dem Fenster montiert, damit er bei Regen nicht nass wird, und auch der Aschenbecher außen auf dem Fensterbrett hübsch trocken steht. Und wenn er so raucht, spienzt er immer so unbeteiligt und unauffällig wie möglich auf meinen Balkon und in meine Küche. Er ist übrigens der Hauptgrund, warum ich in meinem Schlafzimmer auch tagsüber selten die Rolläden ganz hoch ziehe. Ich möchte nicht, dass ein Mann jenseits seiner besten Jahre, mit fettigen Haaren und Schiesserfeinrippunterhemd in mein Schlafzimmer spannt. Völlig unabhängig davon, was darin gerade passiert. Sein Kopfkino soll er sich  hübsch selber bauen. Und auf keinen Fall soll mein Schlafzimmer darin vorkommen.
Denn er guckt ja nicht nur neugierig durch die Gegend. Nein, er hat auch einen ungemein fies klingenden badischen Akzent. Ich habe nichts gegen den Dialekt hier. Im Gegenteil. Aber bei ihm klingt es fies bäurisch. Jedenfalls pfeift er ständig seine Frau an, die dann im selben Sprachfall mit keifender Stimme zurückschreit. Grosses Kino. Besonders im Sommer. Lauter wirds nur während Fussballübertragungen. Besonders wenn der KSC spielt. Da braucht man auch keine Fernsehübertragung. Ich habe es bisher vermieden, die WM-Übertragung oben parallel mitzuhören.

Manchmal klappert es unten im Hof. Dann werden die Küchenabfälle des Restaurants entsorgt. Und der Student im Hinterhaus kommt meist erst sehr spät heim. Sehr niedlich: Vorne lässt er das Hoftor zuknallen. Im Hof erinnert er sich meist, dass alle anderen schon schlafen müssten und beginnt dann mit seinem Bruder in voller Lautstärke zu flüstern. Die Geste zählt :)

Das ist also meine kleine Nachbarschaft. Und dies ist der letzte Sommer, den ich mit diesen Geräuschen verbringen werde. Aber bevor mich der Schwermut packt, mache ich die Kiste aus und geniesse und träume mich weg.

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